23.09.18
Noch scheint das Wetter bei unserer Abfahrt nicht so schlimm zu sein, wie es in den Prognosen prophezeit wurde. Doch schon auf der Höhe von Mullhouse beginnen sich dunkle Wolken über die Schwarzwaldberge zu wälzen, das Blau am Himmel verschwindet und dafür erscheint ein Stück Regenbogen, für mich immer ein versöhnliches, aufmunterndes Zeichen.
Nichtsdestotrotz beginnt der Regen noch vor Frankfurt und zwar nicht zu knapp. Wenigstens ist heute Sonntag und die Lastwagen haben Pause. Wir haben unserer Lady den Weg über Frankfurt, Giessen und dann Eisenach, Erfurt und Leipzig eingegeben und so wird man laufend über die Verkehrssituationen unterwegs orientiert. So ist man auch sofort informiert, dass ein Teilstück, welches auf unserer Route liegt, wegen Unfällen total gesperrt ist und wir werden bei Bad Hersfeld weiter nördlich über Kassel und Braunschweig umgeleitet.
Ich habe nur eine Gesamtkarte von Deutschland aus dem Jahre 1981 dabei. Da hat sich in der Zwischenzeit natürlich einiges geändert. Nicht nur keine Grenze mehr zur DDR, sondern auch viele neue Autobahnstücke, sodass ich nicht genau verfolgen kann, wo wir uns befinden. Raststätten sind zwar eingetragen, aber ob diese als „Autohof“ heute noch bestehen? Ein Aha-Erlebnis für Marlis und mich: Autohof heisst Fressi-Fressi und nicht Klempnerei. Na ja, bei uns heisst es ja auch Autogrill, wo man sich auch etwas anderes darunter vorstellen kann.
Zum Glück schafft René die Fahrerei trotz misslichsten Verhältnissen recht gut und behauptet, noch nicht müde zu sein, während Marlis ein schlechtes Gewissen hat, weil sie sich unter diesen Umständen nicht darum reissen würde, das Steuer zu übernehmen. Trotz allem kommen wir noch recht gut voran und in Salzgitter, kurz vor Braunschweig haben wir nun bereits fast die Höhe von Berlin erreicht. Bei einem weiteren Halt in einem Autohof, erstehe ich mir für neun Euro einen Kompaktatlas des ADAC über ganz Deutschland. Jetzt klappt die Orientierung wieder perfekt. Jetzt sind nicht nur alle Rastplätze und Tankstellen mit und ohne Restaurant eingetragen, jetzt kann man auch an den nummerierten Ausfahrten ablesen, wann man beim nächsten Kreuz die Autobahn wechseln muss. Wir kommen nun anstatt bei Eisenach, erst bei Helmstedt ins Gebiet der ehemaligen DDR. Es regnet zwar immer noch, aber das Wetter hat sich doch langsam so gebessert, dass man endlich auch etwas von der Gegend wahrnehmen kann, sofern dies in diesem ebenen, Gebiet möglich ist. Vor allem die vielen Windräder fallen hier auf. Noch ein letztes Mal von der E30 auf die E55 wechseln und wir haben es bald geschafft. In Wustermark, nur etwa 10 km von Berlin entfernt, führt uns unsere Lady direkt auf den Parkplatz eines angenehmen Hotels. Fürs Nachtessen empfiehlt man uns ein Steakhouse oder Pizzeria ganz in der Nähe und wir fahren damit gut.
Endlich hat der Regen nun aufgehört, so dass wir auf dem Heimweg den Schirm nicht mehr aufspannen brauchen. Dafür muss ich von dem Stück Käse mit der Maus, in welches man ein Transformatorenhäuschen verwandelt hat und vom Plakat für Schmorgurken an einem Gartenzaun ein Foto haben.
Schmorgurken, so finden wir heraus, sind hierzulande wohl die Kürbisse, welche hinter dem Hag zum Verkauf feilgeboten werden.
24.09.18
Eigentlich sehen wir beim Frühstück keine andern Gäste. Ob diese reichliche Auswahl nur für uns bestimmt ist? Es wird jedenfalls tüchtig zugelangt. René konnte sich auch gut erholen und nimmt nun die letzte Etappe von knapp 100 Kilometern bis Marina Wolfsbruch noch in Angriff. Auch das Wetter lädt uns heute freundlich ein. Es geht noch ein Stück auf der Autobahn bis Neuruppin weiter, wo wir dann auf die Deutsche Alleenstrasse kommen.
Dieses Gebiet habe ich noch von unserer Rügenreise in Erinnerung. Damals haben auf den weiten Feldern die Kartoffeln geblüht und das Blau und Rot in den Kornfeldern sehe ich noch lebhaft vor mir. Jetzt ist die Ernte vorbei und die Felder präsentieren sich schon eher Braun in Braun und auch die endlosen Baumreihen, welche die Strassen oft beidseitig begleiten, übernehmen langsam die braune Herbstfärbung. Vielleicht ist es aber auch noch Auswirkung des heissen und trockenen Sommers in diesem Jahr.
Schon sind wir in Rheinsberg und holpern über Kopfsteinpflaster durch ein reizendes Städtchen. Ein Stopp hier zum Schlendern liegt noch lange drin. Wir sind auf unserer Marschtabelle mehr als eine Stunde zu früh. Ein günstiger Parkplatz bietet sich bei einer Töpferwarenfabrik auch gerade an und wir verlieren uns bereits zwischen den Regalen des Keramikhauses. Fast vergebens bemüht man sich, nicht doch eins von den feinen, speziellen Schüsselchen zu erstehen, oder sei es auch nur ein klitzekleines Tässchen, das man als Eierbecher oder Schnapsgläschen verwenden könnte, auf dass man für das Käferwasser nicht wieder das Zahnglas nehmen muss. Man könnte in der kleinen Einkaufsstrasse noch mehr entdecken, aber ein garstiger Windstoss, der einen Regenschauer hinter sich her zieht, hetzt uns zurück ins Auto.
Gut, haben wir eine zuverlässige Führerin, die uns souverän am Schluss gar durch Waldwege zum Ziel führt.
Marina Wolfsbruch besteht ausser der Hafenanlage mit etwa 150 Anlegeplätzen für Sportboote aller Art, zum grössten Teil noch aus dem Precise Resort, einem grösseren Wellnesshotel.
Um ein Uhr sollten wir dort sein, um einzuchecken und um zwei Uhr sei die Einführung in die Handhabung und Führung des Bootes. Das Büro, in welches man ab Ein Uhr für jede Crew, die sich anmelden will, immer nur je zwei Personen Einlass gewährt, ist noch geschlossen und man muss draussen in der Kälte warten, bis man dann an die Reihe kommt. Die erste Gruppe, die es noch vor uns geschafft hat, kommt resigniert wieder raus. Sie haben für nur vier Tage ein Boot gechartert, aber die Bedingungen für heute und übermorgen sind mehr als schlecht. Also würde ihnen gerade morgen ein Tag zum Fahren bleiben und so konnten sie gerade das Ganze annullieren.
Dann können wir auch unsere Unterlagen in Empfang nehmen. Bezahlt haben wir ja bereits im Voraus für die elf Nächte. Wir müssen lediglich noch eine Kaution von 350 Euro hinterlegen, als Selbstbehalt für ev. Schäden oder Mehrverbrauch an Treibstoff etc. welche auf meiner Visa Karte gesperrt werden. Man braucht ausserdem von jedem den Fahrausweis und die ID. Wir bekommen zwei dicke Ordner, in welchen man alles Wissenswerte findet. Im einen über das Hausboot und seine Handhabung und im andern die Seekarten, wo man die Routen durch all die tausend Seen und Kanäle genauestens beschrieben findet. Alle Schleusen, Anlegestellen und Orte, Sehenswürdigkeiten die man besuchen kann, die Zeiten, während denen die Schleusen betrieben sind oder Mittagspause haben usw.
Zuerst wird nun allen zusammen mittels Diashow alles Wichtige aus dem Routenbuch theoretisch erläutert. Verhalten in Schleusen, die Signalisationen auf dem Wasser, wie man ankert u.v.a.m. Vielerorts kann man gar nicht fahren, weil wegen dem trockenen Sommer der Wasserpegel so niedrig ist. Ich habe wieder bei weitem nicht alles verstanden, was der in seinem Berlinerdialekt gemampft hat.
In der Zwischenzeit ist unser Clipper 12 nun auch zur Übergabe bereit und wir können endlich entern. Das Auto konnten wir auf dem grossen Parkplatz abstellen. Es wird dort die nächsten zehn Tage bewacht. Ein- oder ausfahren kann man nur, wenn die Hafenmeisterin persönlich kommt, um den Schlagbaum zu hissen.
Um uns alles Wissenswerte im Boot selber zu erklären und zeigen, ist Uwe zuständig. Das meiste ist uns vom Camper her bekannt, wie die Funktion der Batterie, Gas und Abwasser etc. nur der Raum, den wir zur Verfügung haben ist viel komfortabler als in einem Camper. Marlis hat in ihrem Zimmer auch ihre eigene Dusche und WC, in der Küche hat es sogar einen Backofen und einen gasbetriebenen Grill. Die Einführung mit der ersten Probefahrt muss auf morgen verschoben werden und wir zelebrieren unseren ersten Abend auf dem Schiff mit einem währschaften Apéro, während der Wind einen kompakten Regenvorhang auf die Windschutzscheibe an unserem Salon klatscht. Es ist richtig kühl und man sitzt gerne richtig zugeknöpft beim ersten Nachtessen und man ist froh, dass es in der guten Stube auch eine Heizung gibt.
25.09.18
In unserem Optimismus haben wir der frischen Luft noch einen Spalt im Fenster offen gelassen, etwas, das wir bestimmt nicht wieder tun. Gegen Morgen sind wir nicht weit von Eiszapfen entfernt und man sucht sich sämtliche zur Verfügung stehenden Decken und langärmlige Pullover zusammen, die man mitgenommen hat. Unter den Fenstern hat sich am Morgen soviel Schwitzwasser angesammelt, dass das Nessecaire von Marlis in seinem eigenen See schwimmen kann. Aber immerhin scheint heute die Sonne zum Fenster herein und nach dem Frühstück kann‘s nun losgehen.
Uwe kommt an Bord und erklärt René Vor- und Rückwärtsgang am Motor, den praktischen Bugstrahler für eine Seitwärtsbewegung und mir am Heck, wie man das Tau an der Klampe befestigt, wenn man an einem Steg das Boot festmachen muss. Und schon heisst es zum ersten Mal Leinen los. Zusammen manövrieren die beiden Männer das Boot aus der Parklücke und durch den begrenzten Raum zwischen den beiden Bootsreihen hinaus zum Kanal. Nun muss René ins Gefühl bekommen, wieviel es verträgt, das Steuer zu drehen, um den Kurs geradeaus halten zu können. Das ist gar nicht so einfach, weil das Boot nämlich erst verzögert auf die Bewegung des Steuerrades reagiert, überhaupt nicht wie beim Auto. Das Gefühl aber, so ruhig auf diesem Kanal durch einen Wald dahinzugleiten, begleitet von tausend Vögeln, welche uns von den hohen Bäumen links und rechts ihren Beifall zwitschern, ist wunderbar. Aber es ist kalt! Da holen wir uns schnell die wärmsten Windjacken, die wir dabei haben. Nach vielleicht einem Kilometer durch den schattigen Kanal, kommt man bereits auf den ersten See, den grossen Prebelowsee auf dem wir eine erste Ehrenrunde drehen. Hier darf man mit 2200 Touren fahren, das sind 400 Touren schneller als im Kanal, aber immer noch nur etwa 7 km pro Stunde. Dann geht’s schon wieder zurück durch den Kanal und dort, gerade hinter dem Hafengebäude von Wolfsbruch, machen wir bei den Wartepfählen der Schleuse nochmals an. Schleusen wollen wir heute noch nicht. Lieber erkunden wir nachher diesen Wasserweg von vorhin noch weiter hinunter bis nach Rheinsberg. Bis dort hat es überhaupt keine Schleusen. Also lässt Uwe René das rückwärts Manövrieren zum Einparken und Festmachen üben und wir erhalten das Attest, dass wir die Schulung gemacht haben und berechtigt sind, dieses Boot zu fahren. Sollte etwas passieren, müsste dieses Formular der Polizei vorgewiesen werden.
Nun statten wir uns aus mit den wärmsten Sachen, Handschuhen, Kappen und wer hat, langen Unterhosen und es heisst abermals Leinen los. Diesmal auf uns selber gestellt, mit dem dicken Ordner mit den Wasserkarten, welche ich zu lesen noch herausfinden muss, geht’s nun auf Oberdeck zum zweiten Mal durch den Kanal und uns durchrieselt bereits der ersten Adrenalinstoss. Eine ganze Gruppe von Kanuschülern hat in einem Pulk auf der rechten Seite angelegt und wir müssen warten, bis uns drei Schiffe gekreuzt haben. Jetzt heisst es wieder dank dem Bugstrahler seitwärts wegzukommen, aber mit Rücksicht auf die Kanufahrer sollte man nicht zu viele Wellen verursachen. Aber auch das werden wir noch in den Griff bekommen.
Auf dem See nun zuerst eine Ehrenrunde, damit die hinter uns Fahrenden uns erst mal überholen können. Dort halten wir Ausschau nach der weissen Tafel, welche den Anfang eines Kanals markiert. Wenn die auf einer Spitze stehende quadratische Tafel, senkrecht schwarz/weiss gestreift auf der rechten Uferseite steht, bedeutet dies, dass man in der Flussrichtung in einen Kanal hineinfährt. Ist sie aber horizontal gestreift, heisst das, dass dies das linke Ufer des Flusses ist, also Gegenstrom. Die Fliessrichtung bestimmt also das rechte Ufer. Um diese Spitzfindigkeit zu begreifen, brauche ich wohl noch etwas mehr Zeit. Im Moment hat die Fliessrichtung für unsere Fahrt keine Bedeutung, denn noch haben wir genügend Wasser unter dem Kiel. Ich bin noch genug damit beschäftigt, mir Gedanken zu machen, was passieren würde, wenn uns ein anderes Schiff per Hornsignal etwas mitteilen wollte und ich müsste in unserem gescheiten Ordner dann zuerst danach suchen, was es bedeuten sollte. Langsam kann ich nun aber auf der Karte unsere Position genau erkennen und stelle fest, dass wir viel besser vorankommen, als ich zuerst gedacht habe.
Nachdem wir zwei weitere Seen und drei Kanäle mit zum Teil schmalen Durchgängen unter Brücken erfolgreich gemeistert haben, sind wir bereits im grossen Rheinsberger See angekommen und wir haben nur eine gute Stunde gebraucht. Ein paar Minuten davon habe auch ich mein Glück versucht, aber das Schiff fährt wo es will und für den Kanal übergebe ich lieber wieder an René.
Wir fahren bis zum Leuchtturm vom Hafendorf Rheinsberg. Dort ist ein grosses Feriendorf mit einem riesigen Hotelkomplex und vielen malerischen Ferienhäusern. Anlegen wollen wir hier aber nicht. Lieber wollen wir heute wieder zurück in Wolfsbruch sein, den morgen ist ja das Wetter nicht zum Fahren angesagt. Bereits jetzt beginnt sich der Himmel wieder zu bedecken und man spürt auf dem Rückweg den Gegenwind gut.
Es wird auch immer kälter und trüber. René, welchem durch die Konzentration beim Fahren die Kälte an Händen und Füssen noch mehr zusetzt als sonst schon, wird immer einsilbiger und ich sehe förmlich seine Stacheln ausfahren. Ziemlich durchfroren und als halbe Eiszapfen erreichen wir endlich unseren Hafen, wo wir ziemlich desillusioniert wieder rückwärts in eine „Parklücke“ hineinmanövrieren.
Im Heimathafen wird uns anschaulich demonstriert, was passieren kann, wenn man dann weniger als eine Handbreit Wasser unter dem Kiel hat, wie das im Schiffersgruss gewünscht wird. Auch wenn der Max noch so toll ist, muss man ihn mit zwei starken Gurten aus dem Wasser heben und ihn an Land aufbocken, damit man sich seiner lädierten Schraube annehmen kann.
26.09.18
Die Nacht wird bitterkalt, jedenfalls für unsere Empfindungen nach diesem heissen Sommer und noch immer überdurchschnittlicher Wärme der letzten Herbsttage. Vier Grad zeigt das Thermometer draussen an und viel isolieren die Schiffswände auch nicht. Wandelnde Eiszapfen erscheinen zum Frühstück. Die Heizung wird wieder hochgefahren, nachdem ich sie in der Nacht nur etwas zurückschrauben wollte, weil ich beim Austrittrohr der Warmluft auf fast glühend heisse Bodendielen gestanden bin.
Ich habe schlecht geschlafen, weil ich für den weiteren Verlauf unserer Ferien auf dem Boot keine erwartungsfrohen Gedanken sammeln konnte. Am liebsten würde ich den Vorschlag machen, abzubrechen und statt Hausboot mit dem Auto diese schöne Gegend hier bis an die Ostsee zu erkunden. Sich halt einfach hier und dort in einem schönen Hotel niederlassen und die Mecklenburgische Seenplatte, Schwerin und Neubrandenburg auf eigene Faust zu entdecken. Aber dann kam mir die Idee, dass wir ja unser Hotel bereits haben und bezahlt ist es auch schon bis Freitag in einer Woche. Ab morgen soll das Wetter wieder gut sein. Also warum nicht einen Hafen anvisieren, in welchem man Landstrom beziehen, Gelegenheit hat, etwas einzukaufen und wo man auch Wasser beziehen und auch abpumpen kann und einfach da ein paar Tage Ferien machen?
Dies aber erst ab morgen. Für heute hat man uns das Fahren ja schon am Montag abgesprochen. In der Küche fehlt mir ein Abwaschbürsteli, weil aus dem Hahn fast siedendes Wasser kommt, mit dem man schön heiss abwaschen kann. Ausserdem haben wir keinen Wein an Bord und der gehört jetzt zu den Ferienmenüs, welche wir uns in der zwar kleinen, aber recht gut eingerichteten Küche zubereiten wollen. Wir bemühen also die Hafenmeisterin, dass sie uns den Schlagbaum hebt und wir fahren heute auf dem Landweg die 12 Kilometer bis Rheinsberg. In einem Lidl finden wir alles, was wir noch brauchen und noch mehr dazu, denn einladend steht draussen: „hamma alles! hamma günstig!“. René kommt gar mit einem Paar flauschig weichen Bettsocken zu einem Euro fünfzig daher, welche fortan des Nachts Marlises Füsse schmeichelnd wärmen und dafür ihr ganzes Bett befusseln. Lidl lohnt sich!
Dann müssen wir doch diesem hübschen Städtchen noch die Ehre antun. In die Töpfereien haben wir am Montag reingeschaut und im Zentrum entdecken wir heute einen winzigen Markt, wo an zwei, drei Ständen die Bauern Gemüse anbieten. Einen so bunten Zwiebelzopf, in welchen farbige Strohblumen mit eingeflochten sind, würde ich am liebsten mitnehmen. René findet eine passende Dächlikappe, für welche er als Steuermann auf Oberdeck wegen der blenden Sonne noch richtig froh sein wird.
Hinunter zum Hafen geht es von hier nur ein paar Schritte und auf diesen paar Schritten weg von den frisch renovierten Fassaden entlang der Hauptstrasse, welche den malerischen Eindruck dieses Städtchens vermitteln, gammeln immer noch Herrschaftshäuser aus vergangen Zeiten dahin und warten auf ihre Zeit einer gebührenden Auferstehung. Das Schloss Rheinsberg nebenan, einst Wohnsitz von Prinzen und Königen Friedrich von Preussen genannt, war während der DDR-Zeit Diabetikerklinik. Heute erstrahlt es als neu renoviertes Museum und unterstreicht das Rheinsberger Prädikat als staatlich anerkannter Erholungsort im Urlaubsgebiet Neustrelitzer Kleinseenland der Mecklenburgischen Seenplatte.
Unten am Strand hat sich ein Künstler (Toni Torrilhon) ausgetobt. Zu seinen Skulpturen von singenden und verliebten Nixen kann man immerhin seine erklärende Geschichte von Odysseus und dem Zyklopen nachlesen, auf dass man draus kommt.
Obwohl die Sonne manchmal etwas durchzudringen mag, ist doch ziemlich Wind aufgekommen und es ist wieder unfreundlich kalt.
In einem Fischrestaurant lassen wir uns wieder etwas aufwärmen und Marlis und ich bestellen uns das Fischtrio. So kann man gerade mal Karpfen, Hecht und Wels eins zu eins miteinander vergleichen.
Das Urteil fällt einstimmig aus – der Wels schmeckt uns beiden am besten. Renés Pommes sind eher wie überall sonst, aber wir werden für ihn heute Abend ein feines Pilzrisotto und ihn damit dann glücklich machen.
Vom Auto aus sieht man eigentlich überhaupt nichts von dem vielen Wasser und den Seen, durch deren Gebiet wir hier fahren. Da muss man explizit den Wegweisern zum Hafen folgen. So kommen wir auf dem Heimweg nun von dieser Seite ins Hafendorf Rheinsberg mit seinem Leuchtturm, welches wir gestern vom Wasser aus gesehen haben.
Vor allem der riesige Hotelkomplex will wohl beeindrucken, aber eigentlich ist da überhaupt nichts mehr los. Die Saison scheint endgültig vorbei zu sein und auch das Bistro am Kai neben der Hafenmeisterei ist geschlossen.
Also kein Kaffee nach dem Besuch auf dem Leuchtturm, von wo aus man den Ausblick auf den grossen Rheinsbergersee, wo wir gestern bis hierher geschippert sind, geniessen kann.
Der Heimweg, welcher an der deutschen Alleenstrasse liegt, führt uns entlang der diversen Seen und Kanäle, von welchen man aber nichts sieht, durch viel Waldgebiet, welches eigentlich zum Naturpark Stechlin-Seen gehört.
Über das hierzulande vorherrschende Kopfsteinpflaster auf den Durchgangsstrassen wird man durch den Flecken Zechlinerhütte, das am Schlabornsee liegt, geschüttelt und kommt dann durch eine Waldstrasse nach Kleinzerlang, wo wir bei der Schleuse Wolfsbruch nochmals anhalten, um zuzuschauen, wie dort das Schiffeheben vor sich geht. Es ist keine sehr hohe Schleuse, vielleicht nur einen halben Meter und sie wird morgen unsere erste sein.
Von morgen an sollte für den Rest der Woche das Wetter freundlicher sein und wir haben beschlossen, unser Hotel an einen Anleger zu verfrachten, wo man in der Nähe von Einkaufsmöglichkeiten anlegen, Landstrom und Frischwasser beziehen und auch dumpen und so ein paar ruhige Ferientage verbringen kann. Nach der Wasserkarte sollte in Fürstenberg an der Havel ein solcher Platz zu erreichen sein. In den langgezogenen Seen bis dorthin könnte ich mir auch zutrauen, René ein bisschen abzulösen.
27.09.18
Beim le boat Büro holen wir uns zuerst nochmals die Bestätigung ein, dass auf der von uns vorgesehenen Strecke alles befahren werden kann und nichts wegen Niedrigwasser gesperrt ist. Sie geben uns grünes Licht. Zwar immer noch mit Handschuhen und wärmendem Stirnband um die Ohren gewickelt, verlassen wir den Heimathafen diesmal bei der Ausfahrt Richtung rechts, wo man bereits nach hundert Metern an die gelben Poller im Warteraum der Schleuse festmachen kann. Während wir auf das grüne Licht warten, das uns zur Einfahrt in die Schleuse einlädt, beginnt mein Herz zu klopfen und der Mund trocknet aus. Es gilt nun, in der Schleuse selber je einen Poller zu erwischen, um welchen man das Festmachertau legen muss, damit das Schiff während des Hebevorgangs ruhig am Platz bleibt.
Zum Glück ist die Differenz hier nicht so gross und man kann den Poller auf der oberen Kante der Schleuse gut erreichen. Es ist eine automatische Schleuse und sobald alle bereit sind, kann man an dem grünen Hebel ziehen. Dies setzt die Automatik in Gang und die Schleuse wird gefüllt. Langsam mit dem Steigen des Wasserspiegels kann man das Seil nun auch nachziehen und wenn sich das Schleusentor öffnet, kann man das Seil wieder einziehen und für das nächste Mal griffbereit über die Klampe am Boot wickeln. Es ist ja alles gut gegangen, bei mir am hinteren und Marlis am vorderen Festmachertau.
Nach dem ersten Kilometer durch den Kanal kommen wir bereits in die Gewässer des langgezogenen Pälitzsees. Bleiern und recht düster liegt er noch vor uns. Aber immerhin kräuselt kein Wind seine Wellen oder trägt uns vom eingeschlagenen Kurs ab. Es ist ein ruhiges und friedliches Dahingleiten. Es sind auch nicht viele Boote unterwegs, aber mir soll‘s recht sein. Dabei hat man ja auf dem grossen Wasser mehr als genug Platz – beim Probieren geradeauszufahren, brauche ich den.
Die Spur, welche ich beim ersten Üben hinter dem Boot liegen lasse, ist noch eine rechte Schlangenlinie. Gut, kommt schon bald der nächste Kanal und gerade auch Strasen, die nächste Schleuse, da übergebe ich gerne René, denn da möchte ich mich nicht profilieren.
Hier waltet ein Schleusenwart seines Amtes und ich bin froh, dass er uns ein bisschen hilft. Hier beträgt die Fallhöhe etwa anderthalb Meter und wir fahren in die gefüllte Schleuse ein. So geht es noch einigermassen gut, um das Tau durch die Bogen, welche als Poller dienen, zu ziehen. Marlis hat herausgefunden, dass sie vom Land aus besser mit dem Seil fuhrwerken kann, aber erst kurz bevor das Wasser ausgelassen wird, macht ihr der Schleusenwart sanft klar, dass sie doch besser ins Boot zurückgehen sollte, um die Leine dort durch die Hände gleiten zu lassen, bis wir einen Meter fünfzig tiefer unten angekommen sind. Merke: in der Schleuse ist an Land gehen tabu! Vielleicht gibt es noch vieles andere auch, das bestimmt in unserem gescheiten Buch steht und das man als cleverer Seemann wahrscheinlich wissen sollte, aber der Rest unserer Crew sieht das ganze nicht so eng. Nur ich habe noch bei jeder weiteren Schleuse jedes Mal Herzklopfen und einen trockenen Hals. Ich konnte mir bis jetzt gerade merken, dass steuerbord die rechte Seite des Schiffes bezeichnet, aber nutzbringend anwenden kann ich dieses Wissen während unserer ganzen Ferien kein einziges Mal.
Nach einem kurzen Kanal kommen wir nun in den langen, zickzackförmigen Ellbogensee. Nicht zuletzt nur wegen seinem Namen habe ich diese Route vorgeschlagen. Er ist nicht sehr tief, meistens nur etwa 10 bis 15 Meter, an einer einzigen Stelle schafft er sogar 18 m. Während dem ruhigen Dahingleiten auf seinem Wasser, beginnt sich nun allmählich der Himmel aufzuhellen und langsam vermischt sich auch sein Blau mit dem Grau vor unserem Bug. Am Ende des Sees nimmt uns wieder ein Kanal in Empfang. Es ist nun bereits die Havel, welche uns über eine längere Strecke durch Waldgebiet leitet. Plötzlich stehen wir fast vor dem geschlossenen Tor einer Schleuse. Wir haben nicht realisiert, dass die auf der linken Seite dem Ufer entlang eingerammten Baumstämme die sonst immer gelb bezeichneten Festmacherpoller der Schleuse sind. Bereits zwei Boote haben sich in die Warteschlange eingereiht. Also muss René den Rückwärtsgang üben und dann noch schauen, wie man im Zusammenspiel mit Bugstrahler und Steuerruder in die Nähe so eines Baumstammes kommt, den man dann mit seinem Festmachertau umarmen kann. Steinhavel heisst es hier und die Schleuse ist in direkter Nähe einer halbverfallenen ehemaligen Mühle aus dem 19. Jahrhundert mitten im Wald. Auch hier ist ein Schleusenwärter, ein etwas mürrischer Geselle, aber als er sieht, dass ich es nicht so ganz im Griff habe, dass das Boot nicht zu weit nach vorne driftet, sagt er mir immerhin doch, dass ich auf die andere Seite der Klampe stehen soll. Tatsächlich, wenn ich jetzt am Tau ziehe, bewegt sich das Schiff leicht nach hinten. Danke!
Auf dem nächsten See, in den wir einfahren hat es grüne und rote Bojen. Wie haben sie es uns jetzt gelehrt: immer zwischen einer grünen und einer roten durchfahren aber es hat auch nur drei einzelne grüne. Diese muss man auf der linken Seite umfahren, wenn man in Fliessrichtung fährt. Also in Fliessrichtung gesehen ist rechts gleich Rot. In welcher Richtung, bitte, fliesst ein See? Auch diese Angaben findet man in der gescheiten Wasserkarte.
Die Einfahrt zu Fürstenberg ziert ebenfalls wieder die Ruine eines mehrstöckigen Fabrikgebäudes, aber immerhin begrüsst uns hier ein blauer Himmel. Beim Warten auf die letzte Schleusung komme ich sogar in meiner Windjacke ins Schwitzen. Und dann haben wir es geschafft. Der Schwedtsee liegt unter einem klaren Himmel vor uns in seinem schönsten Blau – der Hafen, den wir anpeilen, am gegenüberliegenden Ende vor einem grossen Wald. Nun kommt wieder das Abenteuer, einen freien Platz zu finden, wo man anlegen kann.
Meist stehen an freien Plätzen kleine rote Schilder mit der Aufschrift RESERVIERT. Gerade vor uns ist ein grösseres Boot angekommen und dank diesem ist die Hafenmeisterin auf der Bildfläche erschienen und diese weist uns nun auch einen Platz zu. Freundliche Bootsnachbarn nehmen uns in Empfang und helfen beim Festmachen.
Beim Anmelden in der Rezeption sind wir angenehm überrascht. Die Marina Fürstenberg ist ein grosser Campingplatz für Campervans und auch selber Vermieter von Hausbooten. Als Gast wird uns hier für unseren 11 Meter langen Clipper 15 Euro pro Tag berechnet, dazu noch für jede Person je 1 Euro. Die sanitären Einrichtungen gehören zur obersten Klasse, wie wir sie in Neuseeland kennengelernt haben. Sauber, perfekt und freundlich. Strom liefert uns draussen auf dem Steg ein Verteiler, den man mit Kleingeld füttern kann, 0.60 €/kWh. Strom brauchen wir zum Laden unserer Akkus von Handy und Kamera und für das Licht. Die Küche funktioniert mit Gas und die Heizung mit dem Dieseltreibstoff.
Auf Oberdeck können wir heute im goldenen Glanz der Abendsonne beim Apéro auf einen erfolgreichen Tag und hoffentlich ein paar gerettete Ferientage anstossen.
28.09.18
Wir haben uns entschlossen, hier in diesem schönen Feriencamp noch ein wenig zu verweilen und die Gegend von hier aus zu erkunden. Wir buchen an der Rezeption gerade noch bis Montag dazu. Das Örtchen Himmelpfort tönt verlockend, allein vom Namen her. Es hätte auch eine Anlegestelle und es ist nur etwa sechs Kilometer von hier entfernt. Theoretisch wäre es auch eine schöne Wanderung bis dorthin, nur für Marlises Knie eine Beanspruchung wohl an der oberen Grenze. Vorn auf dem Bug führen wir ja ein Velo mit und in Fürstenberg könnte man noch zwei weitere dazu mieten.
Also wollen wir erst einmal diese nähere Umgebung auskundschaften. Bis ins Zentrum ist es eine gute halbe Stunde Fussmarsch und das ist gerade die beste Gelegenheit für Marlis auszuprobieren, ob ihr Knie überhaupt das Velofahren erlaubt. Es funktioniert und sie ist selber überglücklich darüber. Man ist also schnell im Städtchen und unterwegs können wir an einem Gartenzaun eine grosse Schachtel Eier von glücklichen Hühnern erstehen.
In einer Apotheke versucht Marlis ihr Glück, zu Vitaminkapseln zu kommen. Bis morgen Vormittag könnte man uns diese sogar besorgen.
Das Örtchen Fürstenberg ist eigentlich schnell erkundet. Am schönen Park am See mit Yachthafen und Seerestaurant sind wir vorbeigekommen. Das Schloss aus dem 18. Jahrhundert wird saniert, aber die grosse evangelisch lutherische Stadtkirche ist ein markantes Wahrzeichen, lohnend einen Blick hinein zu werfen, oder wenigstens ein Lichtlein anzuzünden.
In der Zwischenzeit hat sich René über die Wasserskulptur auf dem grossen Kirchplatz informiert. Sie ‚thematisiert die Prägung der Landschaft um Fürstenberg durch die Eiszeit‘. Auch dass in die Pflasterung des Marktplatzes von Schülern und Eltern gemeisselte „Bürgersteine“ eingelegt sind. Alles zum Thema Wasser, denn Fürstenberg nennt sich die einzige Wasserstadt Deutschlands.
Wo man Velos mieten könnte, ist nun auch klar und direkt am Platz von Kirche, Rathaus und Markt lassen wir uns in einer Bäckerei zu Kaffee und Kuchen nieder.
Sie haben hier ein schönes, geräumiges Stübchen. Durch einen Torbogen habe ich entdeckt, wo der Hinweis zu „Männlein/Weiblein“ führt.
Erst als ich dort unter dem Bogen fast mit jemandem zusammenpralle, realisiere ich, dass ein Spiegel dieses Stübchen massiv vergrössert. Bei Kuchen kann man sich‘s in Deutschland überall gut gehen lassen. Die verstehen ihr Metier.
Vorhin haben wir auf einem Anschlag in der Kirche gesehen, dass morgen Abend hier eine Rocknacht stattfindet, der Eintritt ist 3 Euro und Einlass ist ab 17.30. Dies scheint ein lokales Ereignis zu sein und wir beschliessen, dass dieses Event morgen eigentlich gut in unser Ferienprogramm passen würde.
Gemütlich schlendern wir wieder zurück, vorbei an vielen älteren, noch nicht als Vorzeigeobjekte herausgeputzten Häusern. Die aus rotem Backstein gemauerten Riegelbauten oder abblätternder Verputz an den Fassaden, wo noch Vorfenster vergebens auf einen neuen Anstrich warten und wo es noch immer die Kohlen-Klappen in den Keller gibt, passen in meine Vorstellung, welche ich mir von der DDR machte.
Doch viele Häuser, besonders jene an den Durchgangsstrassen wurden in den letzten Jahren wieder aufgemöbelt und restauriert und diese vermitteln einen friedlichen und idyllischen Kleinststadt-Eindruck.
Trotzdem fallen an Tor und Gartenzaun erstaunlich viele Warnschilder vor Hunden auf. Humorvoll zwar meist, aber oho! Der Spruch neben dem Portrait eines Hundes, der fragt: „Ich brauche 5 Sekunden bis zur Tür – und Du?“ oder „Selbstmord ist doch auch keine Lösung“ lässt einen tatsächlich vielleicht bedenken, ob man hier wirklich eintreten will.
Unser Camping- und Bootsliegeplatz, den wir uns für diese drei Tage ausgesucht haben, ist perfekt. Eine parkähnliche blumengeschmückte Anlage direkt am Wasser vermittelt schon beim Ankommen ein bisschen Ferienstimmung, doch viel ist auch hier nicht mehr los.
Keine Handvoll Campervans auf dem ganzen Gelände. Schon noch mehr Boote an den Liegeplätzen, für die meisten ist es ihr Heimathafen des hiesigen Hausbootverleihers und sie werden geputzt oder sind einfach unbewohnt. Uns steht dafür ein perfekt funktionierendes und sauberes Amenities-Häuschen mit Waschautomaten, Duschen und WC’s zur Verfügung.
Drinnen in unserem fahrenden Hotel haben wir inzwischen herausgefunden, wie die Heizung auch in der Nacht perfekt funktioniert und auch die Küche haben wir uns untertan gemacht, damit wir’s uns heute Abend bei einer feinen Polenta sogar bei Kerzenschein gemütlich machen können.
29.09.18
Auf einem See zu erwachen, wo die ersten Strahlen der Sonne über die spiegelglatte Oberfläche des Wassers tasten und ihr einen ganzen Teppich von nebulösen Schleierchen entlockt, erscheint einem wie ein Wunder. Die Nacht war heute auch nicht mehr so kalt, oder vielleicht haben wir es nun besser im Griff, die Heizung etwas moderater einzustellen.
Da das Knie von Marlis heute Abend noch ins Dorf zum Konzert mitkommen sollte, gehe ich allein und zwar zu Fuss in die Apotheke, um das Bestellte bis um 12 Uhr abzuholen. Ich habe auch Musse, mit einem kleinen Umweg durch Nebengässlein zu schlendern und dabei viele hübsche Motive mit der Kamera einzufangen.
Märchenfiguren wie Rotkäppchen und der Wolf oder der gestiefelte Kater mit mehr oder weniger Talent auf Garagetore oder Fassade gemalt, scheinen in zu sein. Zwar sehen noch viele Fassaden schäbig und vergammelt aus, aber man ist doch sehr dabei, dem Städtchen langsam zum Anstrich eines malerischen Urlaubs- und Freizeitörtchen zu verhelfen.
Im Wald, welcher neben dem Campingplatz beginnt und von hier den ganzen See umfasst, beginnt das Gebiet eines ehemaligen Konzentrationslagers. Man hat dort nun eine Mahn- und Gedenkstätte eingerichtet, welche Marlis und ich gerne besuchen möchten. Und man taucht ein in ein Kapitel der Geschichte, von dem man zwar gehört hat und meint, man wisse, worum es geht, aber was wir hier erfahren, ist so unglaublich, dass es schwer ist, dem ins Auge zu schauen und man an der Spezies Mensch zu zweifeln beginnt.
Schon die Skulptur am Anfang des langen, von Häftlingsfrauen erstellten Weges aus Kopfsteinpflaster fährt ein. Es waren Frauen, die hierher deportiert wurden und die hatten vielfach ihre Kinder dabei.
Die drei Frauen hier aus Bronce, ein ausgemergelter Junge am Schürzenzipfel der einen Frau, zwischen sich und den beiden andern Frauen eine Bahre, unter dessen Tuch zwei kleine Füsschen hervorschauen…
Der Weg und die Gegend bis zum Infozentrum weit hinten im Wald erscheinen einem düster und irgendwie zweideutig der Wegweiser von hier nach Himmelpfort.
Dieser Ort liegt wirklich hinter diesem grossen Areal, wo so Schreckliches passiert ist. Es gab anfangs der Neunzigerjahre eine erfolgreiche Demonstration gegen ein geplantes Einkaufszentrum auf diesem Areal.
Die Dame im Infozentrum hat uns geraten, dass wir am besten im grossen Gebäude der Kommandatur im oberen Stock beginnen, dann würde man am ehesten die Geschichte der Entstehung und Entwicklung des Lagers mitbekommen. An Kopfhörern werden einem die Geschichten von Einwohnern in Fürstenberg erzählt, was sie vor ihren Augen miterleben mussten. Auf einem grossen Wandbild wird dort gezeigt, wie über die Jahre 1939 bis 1945 das Frauenkonzentrationslager von zuerst 1000 Frauen immer mehr erweitert wurde. Während der sechs Kriegsjahre sind über 120’000 Frauen und Kinder registriert worden. Zehntausende wurden ermordet, starben an Hunger, Krankheiten oder medizinischen Experimenten. Anfangs 1945 richtete die SS in einer Baracke eine provisorische Gaskammer ein und liess im Zeitraum von Januar bis April 5’000 bis 6’000 Häftlinge vergasen. Kurz vor Ende des Kriegs erliess Himmler einen Räumungsbefehl und liess die noch im Lager verbliebenen 20’000 Häftlinge in mehreren Marschkolonnen zu Fuss in Richtung Nordwesten treiben. Am 30. April 45 befreite die rote Armee das Konzentrationslager Ravensbrück mit noch 2000 Kranken.
Durch die Beschreibung von auch nur kleinen Einzelheiten kann man sich die schrecklichen Bilder vorstellen. Zum Beispiel den Tagesablaufs, bei einer Tagwache um halb vier Uhr, wo man sich einen Platz in den Wasch oder Toilettenräumen erobern musste, dann blockweise zum Appell antreten und in Kälte und Regen ausharren musste, bis die Zählung mit der Sollzahl übereinstimmte. Oder wie aufgrund mangelnder Waschgelegenheiten Körper- oder Reinigung von Essgeschirr kaum möglich war. Nur wenige Gefangen erhielten gelegentlich frische Kleidung oder Bettwäsche. Für Frauen, die die Mens hatten oder für diejenigen, die an dem im Lager verbreiteten Durchfall litten, waren die Bedingungen unerträglich. Medizinisch Betreuung war unzureichend und man versuchte lediglich, die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern, um einen Teil der Gefangenen arbeitsfähig zu erhalten. Schwerkranke wurden zur Ermordung selektiert. Es gibt einige Zeichnungen, welche von den Häftlingen noch während der Haft oder später aus der Erinnerung gezeichnet wurden und überall ist der Tod präsent.
All das Schreckliche kann oder will man gar nicht glauben und ich habe noch längstens nicht alles gelesen. Weit hinten im Areal steht noch ein Gebäude mit dem Thema Zwangsarbeit im KZ. Textilfertigung. Bis dorthin standen in langen Reihen die Lagerbaracken. Heute sind nur noch die Fundamente mit einer Einsenkung markiert. Alles liegt unter einer dicken Schlackenschicht. Irgendwie entsetzt mich allein dies Schlacke. Woher stammt die?
Es ist genug. Ich brauche nicht mehr in jene „Führerhäuser“, „Unterführerhäuser“ und Gebäude, wo die Aufseherinnen wohnten, ich fühle einen Hass in mir aufsteigen, aber das will ich nicht. Es reicht, dass man es nicht begreifen kann.
So schön, wie das Wetter immer noch ist, doch bei unserer Ankunft am Boot scheint mir, als ob jemand mit einem Schalter das Licht ausgelöscht hätte. Bis heute Mittag noch ein so schöner Ort und jetzt plustert sich hier in dem angrenzenden Wald ein solch dunkles Ungeheuer auf und man kann sich keine Vorstellung machen, was da abgegangen ist.
Wir machen uns nun nochmals auf den Weg in die Stadt für das Konzert. Auch darunter kann ich mir wieder überhaupt nichts vorstellen: „Büttners Best Choice meets drum attack“. Buettners scheint eine Rockband zu sein aus Mitgliedern mit unterschiedlichen Behinderungen aber voller Elan und Pfiff. Zu Beginn stehen gut ein Dutzend oder mehr Buschtrommeln bereit. Es sind alles Jugendliche, Jungs und Mädels, welche die Trommeln bald mit Enthusiasmus mit baren Händen bearbeiten und im wahrsten Sinn des Wortes unsere Ohren mit einem Trommelfeuer malträtieren. Ich bin froh, werden Ohrenstöpsel verteilt. Dabei finde ich es so widersinnig, in ein Konzert zu gehen und dann die Ohren zuzustöpseln, dass man nichts hört. So bekomme ich nun eben auch nicht mit, was der Leiter über diese Gruppen erzählt. Aber man hat Raum für alle.
Auch für diesen offensichtlich behinderten jungen Mann, für den eine Reservetrommel bereitsteht und der aus dem Publikum kommend, seine persönliche Intuition einbringen kann. Nach der Pause, in welche viele der Zuschauer, wohl Angehörige der Buschtrommler mit diesen verschwunden sind, halten die Büttners noch die Stellung, so gut wie das eben geht.
Einer von ihnen lässt seine Kollegen ab und zu im Stich, geht kurz nach draussen oder legt sich hinter den Instrumenten auf den Boden. So ist es sicher auch nicht so schlimm, wenn wir auch nicht mehr bis zum Schluss ausharren. Es heisst ja Rocknacht und die ganze Nacht möchte ich mit meinem begrenzten Musikverständnis auch nicht durchmachen.
Wir möchten im Stadtpark im Restaurant zum Yachthafen schauen, ob es noch was zu Beissen gibt. Aber dort sind sie bereits dran ihre Küche zu putzen. Im Templinerhof, der uns schon von der Hafenmeisterin empfohlenen Gaststätte, machen wir einen zweiten Versuch. Auch hier gibt’s offiziell nur bis neun Uhr warme Küche, aber wir werden herzlichst empfangen und ich sogar mit einem Gwundernasenmenü „Topfguckers Geheimnis“ bedient. Es ist ein sehr reichhaltiger Gratin, zuoberst mit einer Portion gratiniertem Camembert, welcher allein schon als ganzes Menü gereicht hätte.
Die übrigen Gäste sind in der Zwischenzeit verschwunden und auch die Angestellten haben Feierabend. Aber der Chef lässt sich nicht hetzen und er erzählt uns noch vieles über die neuen Zeiten für sie im neuen Deutschland und man merkt, dass es für die Ossis auch nicht immer einfach ist.
30.09.18
Auch heute erwacht ein wunderschöner Tag mit blauem Himmel, an welchem wir tatsächlich eine Formation Kraniche vorüberziehen sehen. Es sind die ersten, die ich sehe. Es sei aber jetzt die Zeit für ihre Wanderung und hier in diesem Seengebiet würden sie zu Hunderten jeweils zum Übernachten zwischenstoppen, wo sie in seichtem Wasser einigermassen vor Räubern geschützt schlafen könnten.
Allein, so schön wie es heute angesagt ist, für morgen sieht es anders aus. Sturm und Regen wird uns in den nächsten Tagen wieder unser Ölzeug und Pelzmäntel einfordern. Das brauchen wir nun aber nicht. Wir schauen, dass wir zum Heimathafen zurückkommen, dort haben wir dann immerhin das Auto zur Verfügung, dass wir wenigstens doch noch etwas von der wunderschönen Gegend hier sehen können.
Auch die Velotour, welche wir für heute nach Himmelpfort vorgesehen haben, vergessen wir.
Um Elf Uhr machen wir uns auf den Weg, nein man sollte vielleicht sagen ab, in den Bach. Bei den Schleusen ist es heute ziemlich ruhig und ich kann meinen Matrosendienst schon viel gelassener nehmen. Auch ist es heute nicht so kalt und wir nehmen es gemütlich. Bei der Steinhavelmühle binden wir an und lassen einem kleinen Boot noch den Vortritt, welches in der Schleuse noch besser Platz hat als wir. Anscheinend wittern unsere Hintermänner auch noch eine Gelegenheit für sich und preschen vor.
Die Schleuse geht zu, ohne sie. Kleinlaut müssen sie sich nun wieder schön hinter uns einreihen. Während wir auf unsere Schleusung warten, wird dort auf Oberdeck gefeiert und geprostet. Es ist auch ein Clipper von le boat.
Kaum hat dieser hinter uns das Schleusentor auch passiert, wird Vollgas gegeben und man überholt uns im Kanal, der hier eben noch eine Biegung macht und total unübersichtlich ist. Aber uns soll‘s egal sein, jetzt haben wir wenigstens hinter uns Ruhe.
So vertuckern wir den heutigen Tag wieder auf den Gewässern der Havel, dem Ellbogen- und dem Pälitzsee auf der Müritz-Havel-Wasserstrasse.
Im gleissenden Licht der Abendsonne präsentiert sich nun der kleine Pälitzsee, welcher uns am Donnerstag so bleiern grau und düster vorkam und man kann im Gegenlicht die Stelle fast nur erahnen, wo der enge Durchgang zum Kanal ist.
Der Letzte nun und auch die letzte Schleuse, welche sich gerade hinter unserem Heimathafen befindet. Um fünf Uhr sind wir wieder „daheim“ und vom Steg aus winkt uns ein Paar zu und weist uns um den im Weg stehenden Pfosten herum in eine gute Anlegestelle, wo sie uns das Festmachertau abnehmen und das Boot zum Steg ziehen. Es sind jene beiden, welchen wir vorgestern auch geholfen haben ihren Consul in die Lücke neben unserm Boot zu manövrieren. Sie sind heute Morgen dort viel früher abgefahren als wir.
01.10.18
Mirow oder Röbel haben wir uns für heute aufs Programm gesetzt, um diese Örtchen neben Waren, Malchow und Plau am See, welche an den Wasserwegen gelegen hätten, nun halt auf dem Landweg zu besuchen.
Zuerst aber fahren wir nochmals nach Rheinsberg in den Lidl, denn der Wein ist uns bereits ausgegangen. Nur etwa zwei bis drei Kilometer von Rheinsberg entfernt ist auf meiner Karte ein Aussichtspunkt eingetragen, welcher sich auf den Krähenbergen befinden soll. Vergeblich hält man aber hier in diesen Ebenen nach Bergen Ausschau. Wir kommen höchstens auf eine erhöhte Plateauebene, von welcher aus man unbestreitbar etwas mehr Übersicht hat als vorher, aber einen Weg, der zu einem nahen Sendeturm führen würde, finden wir nicht. Sanft eben könnte man das Gebiet schlechthin nennen, aber warum man ihm den Namen Ruppiner Schweiz gibt, kann man sich nicht zusammenreimen.
Einsam und mit kleinen verstreuten Gehöften oder winzigen Flecken mit bestimmt nur ein paar Dutzend Einwohnern erinnert es uns fast mehr an Neuseeland. Die Strassen hingegen fast immer von Bäumen gesäumt, prägen das Bild von diesem Gebiet hier, das mir auf unserer Reise nach Rügen vor acht Jahren auch so gefallen hat. Manchmal stehen noch auf beiden Seiten uralte Bäume, meistens sind es Eichen, am Weg. Oft musste nun wohl in letzter Zeit eine Seite der Allee bei der Verbreiterung der Strasse weichen, aber man hat die Tradition beibehalten und hat neue Baumzeilen gepflanzt. Schliesslich setzt man sich dafür ein, die Deutsche Alleenstrasse, welche als Ferienstrasse von der Ostsee bis an den Bodensee führt, wieder in Stand zu setzen.
Irgendwie driften wir heute vom vorgesehenen Weg ab, der uns ziemlich über Land und durch kleinste Ortschaften wie durch Berlinchen führt, aber schlussendlich kommen wir doch nach Mirow, derweil am Himmel immer dunklere Wolken aufgezogen sind.
Mirow liegt an einem See, wie könnte es auch anders sein und hat als Sehenswürdigkeit ein Schloss und eine schöne Kirche anzubieten. Durch ein Schlosstor kommt man auf der Schlossinsel zuerst gerade zur Johanniterkirche, in welche Marlis und ich schon einen Blick werfen wollen. René soll unterdessen in der Schlossbrauerei Ausschau nach einer Möglichkeit für einen kulinarischen Zwischenstopp halten.
Vom Kirchturm könnte man hier vielleicht einen Blick über das ebene Wasser-Gebiet werfen und tapfer bezwingt auch Marlis die vielen Stufen der Wendeltreppe bis hinauf zum begehbaren Glockenstuhl. Die Treppe geht sogar noch weiter bis auf den Turmaufsatz, wo man in acht Himmelsrichtungen Ausschau halten könnte.
Aber auch diesmal werden wir an einer Müritzalen Aussicht gehindert. Es hat eben in Strömen zu regnen begonnen und die Gegend verliert sich im nebligen Dunst. Wir gratulieren uns zu unserem Entschluss, dass wir gestern zurückgefahren sind.
In der alten Schlossbrauerei warten wir einmal das Ende des Wolkenbruchs ab. Wir bestellen uns heute wieder einen Wels, der hat uns ja dort in Rheinsberg von allen dreien am besten geschmeckt.
Er wird mit Pfannengemüse und Kartoffelstampf serviert und schmeckt uns auch heute ausgezeichnet.
Beim Schlendern durchs kleine Städtchen zieht uns eine Fischimbissbude wieder magisch an. Fischbrötchen und Räucherfisch wird zum Verzehr am Bistrotischchen angeboten. Man hat eine schöne Auslage, die verschiedenen Sorten übersichtlich angeschrieben und wir kaufen ein Stück heissgeräucherten Stremellachs zum Mitnehmen.
Stremel heisst Streifen und ist nicht eine Lachssorte, wie wir gemeint haben. Gleich daneben, das Gasthaus die Blaue Maus, ein schön renoviertes Riegelhaus. Auch der reich mit verschiedensten Schreinerwerkzeugen dekorierte Durchgang zu seiner Tischlerei, verführt uns bei Meister Wasmundt hineinzuschauen. Leider hat er unter all seinen tausend Trophäen, keinen altertümlichen Zapfenzieher für die Sammlung von Marlis.
Auf der Deutschen Alleenstrasse kommen wir über Wesenberg, Wustrow und Canow wieder heim nach Marina Wolfsbruch, welches nahe des Örtchens Kleinzerlang irgendwo tief im Wald versteckt ist. Ohne unsere Lady, welche sich nach den Koordinaten orientiert, würden wir uns wohl jedes Mal verfahren.
02.10.18
Heute wären wir gerne nach Waren gefahren, denn Marlis und ich haben Erinnerungen daran, als wir in Waren waren. Es war auf der Heimreise von Rügen, als wir dort in der Kartoffelscheune an der Müritz Mittagspause machten und ich ein 400-grämmiges Riesenschnitzel vertilgte.
Wir nehmen die Anfahrt über Neustrelitz, damit wir auch von der weiteren Umgebung etwas hätten. Nur eine Ebene zu entdecken und Neues zu erfahren ist fast schwierig. Es sieht alles ähnlich aus. Bei dem heutigen Wetter, wo alles düster ist sowieso.
Ebenen, Wald, ab und zu mit ein paar Häusern, meist aus rotem Ziegelstein als Andeutungen einer Ortschaft, vielleicht am Ende eines weiten, bereits gepflügten Feldes am Horizont einen Kirchturm, der die Anwesenheit eines Dörfchens verrät.
So erreichen wir Waren an der Müritz, wo wir den Wegweisern zum Müritzeum folgen und ziemlich nah beim Hafen einen Parkplatz finden. Es ist wieder saukalt und es hat zu regnen begonnen. Also ist ein Besuch eines Museums oder halt eben des Müritzeums sicher eine gute Sache.
Es ist kein eigentliches Museum, denn neben naturhistorischen Sammlungen ist auch ein grosses Aquarium integriert. Man erfährt vieles über die Geschichte der Entstehung der Mecklenburgischen Seenplatte, welche sich in der Eiszeit beim Rückzug der Gletscher aus diesem Gebiet bildete. Erstaunlich ist auch, wie der Bau einer Pipeline für Archäologen die reinste Schatzkiste freilegte.
Geologische Objekte laden zum „Begreifen“ der Natur ein und es gibt einen nachgebildeten Stamm einer 1000-jährigen Ivenacker Eiche.
In der Zwischenzeit ist es draussen noch kälter geworden und es stürmt. Nur einen kurzen Blick wollen wir dennoch auf See und Hafen werfen, dort wo man vorbeigekommen wäre, wenn…. Unser Entschluss, das Schiff im sicheren Hafen zu lassen, war einzig richtig.
Die Vorstellung, dass wir schönes Wetter gehabt hätten und dann die eigentlich geplante Route genommen hätten, dann wären wir jetzt wieder auf dem Rückweg.
Bei diesem und noch angekündigten Wetter für die nächsten Tage, hätten wir nun keine Chance mehr, wieder zurück nach Wolfsbruch zu kommen, denn so wie das Wasser und der Wind tut, bekäme man keine Bewilligung, den See zu befahren.
Gerade als ich japsend wegen dem Wind mich und meine Kamera vor dem Regen wieder in Sicherheit bringen will, sehe ich sie. Ich brauche keine grosse Überredungskunst, um die andern beiden zu einer Einkehr in die Kartoffelscheune zu überreden.
Es ist genau jene Beiz, wo ich das Riesenschnitzel bestellt hatte. Das mit der Karte auf der mit Sand gefüllten Flasche ist immer noch Tradition, die Sprüche darauf sind aber wie mir scheint fader geworden. Es sei denn, wir verstehen sie nicht. Nullpromiller sind keine Fleppenkiller ? Fleppe, das ist hierzulande der Führerschein.
Darunter für Mineralwasser: (Vorsicht Doping) oder unter Absturzbeschleuniger bei Rum braun: (Besser een Zuckerrohr, als jakeens).
Fotos für heute waren einmal im Müritzeum verboten, dann hinderte mich der Regen daran und ein gemütlicher und geruhsamer Abend im wohlig geheizten Stübchen bei einem oder zwei Domino-Spielchen gibt auch nicht soviel her.
03.10.18
Plau am See soll auch noch ein schönes Örtchen sein, bis zu welchem wir mit unserem Schiff hätten fahren können. Ich zweifle aber, ob wir überhaupt bis dorthin hätten kommen können, wenn alles gestimmt hätte.
Die Bilder, welche ich von heute von unserem Ausflug dorthin mit heimbringe beweisen es – das Wetter ist recht vielseitig.
Man bekommt von allem, aber wenn’s regnet ist man im Auto, oder René hat den grossen Schirm mit dabei. Auch von den Alleen und weiten Äckern oder abgeernteten Stoppelfeldern, wo wir gar mal eine Anzahl Kraniche sehen, die nach Futter suchen, gibt es viele Variationen.
Einmal erwische ich so einen Hölzliwald im Sonnenschein, wie Marlis den Wädern hier sagt, welche mit ihren kultivierten, allen gleich hohen und dicken Stämmen für uns etwas fremd aussehen.
Es sind etwa 80 km durch mehr oder weniger einsames Land, wo die Dörfer, wenn es überhaupt hat, manchmal Flecken genannt werden. Seen und Wasser hat es zwischen der Müritz und dem Plauer See nicht so viel wie in Wolfsbruch selber, welches in weiten Gebieten von Naturschutz und Nationalpark liegt. Dafür ist Plau wirklich eine Reise wert.
Auch hier sind die Häuser an den Hauptstrassen, die nicht sowieso aus den roten Backsteinen gebaut sind, meist schön renoviert und man schlendert alles über Kopfsteinpflaster den ein- oder zweistöckigen Häuserzeilen entlang. Zeit wäre es, irgendwo etwas Kleines zu essen, aber das ansprechende Café Altstadt ist wegen einer geschlossenen Gesellschaft nicht verfügbar.
Auf der Suche nach einer weiteren Gelegenheit, haben wir nun fast schon das ganze Städtchen abgeklappert und sind unten beim Kanal an der Elde und der Schleuse angekommen. Hier sieht man gerade ein Paradebeispiel, wie in Hinterhöfen manchmal alles verlottert und zwar so, dass man sich dort keinen Schritt in die Nähe traut, weil die ganze restliche Fassade jeden Moment über einem zusammenstürzen könnte.
Aber gleich zehn Schritt weiter gibt es eine Hubbrücke über die Elde und die ist schön restauriert, blau angestrichen und bereits auch mit der Unsitte mit vielen Ewig-Treue-Schlössern verziert. Eigentlich ist sie ein Unikum, denn ich habe noch nie gehört, dass man ein 13 Meter langes Strassenstück, einfach fast zwei Meter anheben kann, damit auf dem Wasser sowas wie zum Beispiel ein Hausboot durchfahren kann.
Gleich im Haus nebenan finden wir nun endlich einen Platz in einem geöffneten Lokal, wo ich auch heute wieder zu einem schönen Fisch komme.
Nicht weit hinter der Hubbrücke liegt die Hafenanlage vom See und weil es in der Zwischenzeit wieder mal aufgehört hat zu regnen, werfen wir auch hier einen Blick in die Fischräucherei und bewundern das schöne strohgedeckte Walmdach des Fischerhauses.
Dort kann man an einem Automaten für einen Euro aus einer Kupfermünze ein zerquetschtes Medaillon als Andenken ans Fischerhaus in Plau am See prägen lassen. Man muss dazu allerdings die Kurbel zum Drehen richtig in die Hand nehmen.
Ich staune auch darüber, wie hierzulande nicht nur die Tradition der Alleen, sondern auch jene der mit Kopfstein gepflasterten Strassen aufrecht erhalten bleibt. Im ganzen Städtchen holpert man ausnahmslos nur über gepflästerte Strassen, das Sightseeingbähnchen hat eine neue Strasse, am Ende mit sage und schreibe einem Kreisel, alles mit runden Gwäggis neu erstellt.
Nun wollen wir aber doch nochmals zurück zur Marienkirche, welche wir vorhin wegen der Beizensuche links haben liegen lassen. Nicht nur wegen einem Blick hinein, wo die Kirchenbesucher nach ihren Berufen sortiert, ihre festen Plätze in den Bänken zugeteilt bekommen hatten, wie Schneider oder Tuchmacher oder Aelterleute der Metallarbeiter.
Auch hier ist der Zugang zum Kirchturm offen und natürlich müssen Marlis und ich auch hier die enge Wendeltreppe aus rotem Ziegelstein erklimmen. Ebenso kann man auch da fast unter den Glocken durchkriechen. Der Wind heult durch alle Ritzen, aber die Aussicht von da oben ist wunderbar.
Die schwarzen Wolken haben sich wieder mal verzogen und die Sonne scheint auf die vielen roten Dächer mit ihren Gauben, Guggeren oder Lukarnen, wie immer ich diese benennen soll. Ihre Häuser darunter stehen Schulter an Schulter in langen Zeilen den Strassen entlang stramm, wie Soldaten beim Apell.
Nicht weit von hier gibt es nochmals einen Turm einer alten Burg und René würde dort gern diese alte zifferblattlose Turmuhr aus dem Jahre 1581 sehen. Sie wurde für den Glockenturm der Marienkirche gemacht und sie konnte die Stunden schlagen.
Durch Gewitter mit Blitzeinschlägen in den Kirchturm und einen Stadtbrand wurde sie mehrmals beschädigt und immer wieder repariert. Mitte des 19. Jh. liess man sie ruhen bis man sie 2001 wieder zum Leben erweckte und nun tickt sie wieder als Museumsstück mit riesigen Felsbrocken als Antriebsgewicht hier im Burgturm in Plau.
Auch das elf Meter tiefe Verlies im Turm kann man wieder bestaunen und Hühnerhaut kriecht einem über den Rücken, wenn der Turmwart zu erzählen beginnt, wie man einst hier mit den Leuten umgegangen ist. Sicher auch wegen Bagatellen kam man rein und heraus kam man nur, wenn ein Lösegeld bezahlt wurde.
Ausserdem mussten Angehörige für Essen und Trinken sorgen. War das Loch voll, konnte man mit ein paar Balken in die dafür vorgesehenen Löcher in der Mauer eine zweite Ebene einschieben und der perfide Erzähler zwingt einem ohne Worte dazu, sich vorzustellen, was dann mit den Unteren geschah.
Auf dem Heimweg möchte ich nicht auf der gleichen Strasse wieder retour fahren, sondern zwischen dem Plauer See und der Müritz über Malchow und Röbel wieder der Alleenstrasse entlang, wo wir noch nicht waren. Aber dazu müsste man die Lady überlisten, die zeigt einem immer nur den kürzesten oder einfachsten Weg über die Autobahn. Aber eigentlich reizt das Wetter nicht für noch mehr schlendern, lieber fahren wir heim. Trotzdem überrede ich René dazu, bei Mirow jenem Wegweiser zu folgen, den ich gestern zu spät gesehen habe und dieser Weg ist auf der Karte nicht einmal halb so lang. Wie meist, geht es eine kleine Strecke, bis die Lady zu unserer eingeschlagenen Richtung zähneknirschend das Ziel über eine neue Route berechnet. Obwohl wir gestern sogar über weiss eingetragene Nebenstrassen gefahren sind, war keine davon in so einem himmeltraurigen Zustand wie diese gelbe hier und ich nehme mir fest vor, nie wieder was zu sagen, wo ich durchfahren will.
Wenigstens kommen wir ohne weiteren Zwischenfälle wieder auf dem Parkplatz des Heimathafens an. René will das Auto nur noch einen halben Meter seitlich verschieben, aber der Motor springt nicht mehr an.
Eine Fehlermeldung zeigt die rechte Hintertür fälschlicherweise als offen an und mit einer offenen Tür kann man weder das Auto abschliessen noch den Motor starten. Langsam kommt René ins Rotieren. Heutzutage ist man dieser Elektronik ziemlich hilflos ausgeliefert und es bleibt nur noch, den Pannendienst anzurufen. Zum Glück hat er diesen Service für Deutschland wieder verlängert und er kann einen Termin für morgen früh abmachen. Morgen ist unser letzter Tag hier und eigentlich wollten wir packen. Wenn er das Auto abschleppen müsste, könnten wir unseren Aufenthalt hier gerade noch etwas verlängern. Eine Möglichkeit hätten wir natürlich gerade hier im Resort oder gar auf dem Boot noch eine oder zwei zusätzliche Nächte bleiben? Immerhin ist es gut, dass es hier auf dem Parkplatz passiert ist und dass wir nicht unterwegs irgendwo angehalten haben, um zum Beispiel einen schönen Hölzliwald zu fötelen.
04.10.18
Noch vor dem Frühstück muss René am Auto ausprobieren, was ihm in der Nacht in den Sinn gekommen ist. Er hatte vor einiger Zeit auch schon ein Problem mit der Elektronik, allerdings mit dem Fensterheber, aber an einer andern Tür.
Da musste er auch den Touring anfordern und diese haben auch nicht herausgefunden, was es war und so musste er das Auto abschleppen. In der Garage haben sie nachher herausgefunden, dass es an einer Sicherung gelegen hatte und der Mechaniker hat ihm dann eine Ersatzsicherung für den Notfall an einen leeren Steckplatz gesteckt.
Es ist nun das erste, was er versucht und gottseidank, es funktioniert wieder! Also kann er voller Erleichterung dem Pannendienst Entwarnung geben und er fährt gleich nach Rheinsberg in die Garage, wo er gerade für ein paar Euro 10 solche Sicherungen mitnimmt.
Erleichtert ist man dann am Abend, als alles gepackt ist und die Sachen, die man auf der Heimfahrt und unterwegs im Hotel nicht braucht, in der grossen Röllelitasche jetzt bereits schon im Auto verstaut ist.
Entspannung auch für René, denn auf den heutigen Tag muss er nun doch auch einmal anstossen. Seriös wie immer, aber diesmal habe ich ein Föteli, wie er sich einen Fingerhut, oder besser einen Flaschendeckel voll wahrhaftigen Gin gönnt!
05.10.18
Wenigstens meint es das Wetter für den Abschluss unserer Ferien gut. Ein wolkenloser Himmel spannt sich über ganz Deutschland, wie um sich für den Regensonntag bei unserer Herreise zu entschuldigen. Die hintere, rechte Tür ist mit der grossen Röllelitasche verbarrikadiert, dass man nicht in Versuchung kommt, diese zu öffnen.
Die Übergabe unseres Bootes ist auch problemlos vonstatten gegangen. Uwe kam nach dem Frühstück an Bord und hat sich kurz umgeschaut und beide Toiletten einmal gespült, dann den Stand des Betriebsstundenzähler auf dem Übergabeformular eingetragen, mit welchem ich im Büro meine hinterlegte Kaution zurückbekam. Das heisst dieser Betrag von 350 € war ja nur auf meiner Visa gesperrt und wurde nun wieder freigegeben.
Unsere elf gefahrenen Stunden liegen längst im gelösten Inklusive-Paket. Diesel brauchten wir ja wohl das Meiste für die Heizung und auch Wasser mussten wir nie nachfüllen und vor allem dumpen mussten wir nie, obwohl ich gestern noch plötzlich Bammel hatte, als man mir sagte, dass der Abwassertank kleiner sei als der Frischwassertank. Deshalb musste mir Uwe nochmals bestätigen, dass wir noch im grünen Bereich seien, bevor die Gülle durch den Siphon in den Abwaschtrog drücken würde. Da hat es sich wenigstens gelohnt, dass wir immer auswärts duschen gingen, das war sowieso viel angenehmer.
Über Rheinsberg und Neuruppin verlassen wir nun wieder das Naturschutzgebiet im Ruppiner Land und fädeln uns in die Autobahn Richtung Berlin und Leipzig ein. Vorgesehen wäre, dass wir etwa zweimal irgendwo unterwegs nach einem Hotel Ausschau halten und mal sehen wollen wohin uns der Weg führt.
Um die Mittagszeit sind wir schon weit über Berlin hinaus und sind in meiner Karte auf der Seite „Sachsen-Anhalt“ angekommen. Spontan entschliessen wir uns, in Dessau die Autobahn zu verlassen, weil es bis zur nächsten Raststätte noch zu lang geht. Von weitem sind drei markante Türme zu sehen und überrascht stelle ich fest, dass der eine davon zu einem Gebäude gehört, an welches ich mich erinnern kann.
Es ist der Johannsbau mit seinem Treppenhausturm. Das Bild mit Pfosteneffekt von meiner Rügenreise. Wir waren also hier und wie sich herausstellt, haben wir sogar hier übernachtet. War es das mit dem Riesenrad? Ich mag mich nicht mehr sicher daran erinnern. Aber wozu habe ich meine Reiseberichte, die ich daheim dann zu Rate ziehen werde.
Die andern beiden Türme gehören zu St. Peter und zum Rathaus. Am Rande des grossen Marktplatz wird in einem Strassencafé gemütlich Mittagsrast gehalten. Die friedliche Flanierstimmung beschert mir heute gleich zwei neue T-Shirts mit angenehmer Ausschnittform und auf dem Umweg bis zurück zum Auto noch ein aktuelles Bild vom Johannsbau, dem Museum, aber diesmal ohne Pfosten.
Für heute Abend könnten wir uns eine Übernachtung in Jena, Weimar oder Erfurt vorstellen und damit uns die Lady nicht zu früh nach Westen schickt, geben wir ihr Erfurt als Ziel ein. Eigentlich kommen wir flott voran, bis auf der Höhe von Leipzig auf dem GPS-Display ein massiver Stau angezeigt wird und die freundliche Stimme meldet, dass die Route neu berechnet worden sei. Ein komisches Gefühl, dass sie uns wieder nordwärts leitet. Ob sie wohl so programmiert ist, dass sie nur Autobahnen auswählt? Es gäbe da doch rote Hauptverbindungsstrassen nach Südwesten, aber die Lady bleibt auf der Autobahn. Und ich habe mir gestern geschworen nichts mehr zu sagen! Erst als René vorschlägt, ob wir nun in Jena halten wollen, muss ich ihm sagen, dass wir wegen der Umleitung dort gar nicht mehr hinkommen und wir bis Erfurt zufahren müssen. Und jetzt ist dicke Luft, weil ich nichts gesagt habe.
Sein erster Gedanke, nun halt bis Giessen zu fahren und morgen dann direkt heim, lässt sich gottseidank etwas relativieren, bis da wären es nochmals drei Stunden, und dies mit einer Wut im Bauch….
Es ist schon bald fünf Uhr, bis wir in Erfurt sind und nun kommt das Abenteuer, hier eine Bleibe zu suchen. Die Sonne steht nun so tief am Horizont und man kann kaum sehen, wo die Strasse verläuft, geschweige denn noch nach Hotels Ausschau zu halten. Ein Passant den wir ansprechen, meint dass das sowieso schwierig sei in der Stadt. Am ehesten hätten wir wohl in Bindersleben am Flughafen draussen Erfolg. Nach Bindersleben führt uns die Lady durch gleissendes Abendlicht, aber das Airporthotel kennt sie nicht. Nach mehrmaligem Durchfragen schaffen wir das aber ohne sie. Nur, wir haben keinen Erfolg. Alles ist ausgebucht. Die Rezeptionistin telefoniert für mich zwar noch in ein anderes Hotel hier im Ort, aber auch dort ist alles ausgebucht. Doch sie gibt mir wenigstens eine Telefonnummer von einem Hotel in der Stadt. Auch dort ist nichts und man gibt uns eine weitere Nummer, die des Radisson Blue. Nach einer weiteren verzweifelten Anfrage erhellt sich aber Marlis’s Gesicht und sie beginnt auf Schweizerdeutsch unsere Notlage zu erklären. Eigentlich hätten sie auch alles ausgebucht. Es sei eben eine Messe in der Stadt, aber man könnte mal nachfragen, ob es möglich sei, in einem Zimmer ein drittes Bett hineinzustellen. Alles wäre heute gut, wir möchten nur nicht noch weiter fahren. Nach einem kurzen Moment kommt der positive Bescheid. Aber nach der Antwort auf die Frage nach dem Preis, verlässt Marlis wieder aller Mut. 500€! Geteilt durch drei ist immer noch nicht alles so schlimm und ich sage ihr, dass sie zustimmen soll mit dem festen Entschluss das auf meine Kappe zu nehmen. Nun haben wir die Adresse am Juri Gagarin Ring und unsere Lady führt uns direkt vor den Hoteleingang und oh Wunder, wir können in einen gerade freiwerdenden Parkplatz einfahren.
Die Rezeptionistin heisst uns in perfektem Schweizerdeutsch herzlich willkommen. Sie ist von hier, aber sie hat etwa drei Jahre in der Schweiz gearbeitet. Chapeau, eine Frau mit Sprachtalent. Sie erklärt uns, dass wir unsere Zimmerschlüssel brauchen müssen, um im Lift in unsere Suite im 16. Stock zu kommen. Dort könnten wir die Aussicht auf ganz Erfurt geniessen. Also Chefetage! Doch es kommt noch besser: Präsidentensuite ist dort an der Tür angeschrieben, welche sich ebenfalls mit dem Zimmerschlüssel-Kärtchen öffnen lässt. Nun bleibt uns aber vollends die Spuke weg.
Durch ein geräumiges Entrée kommt man in den Salon dieser 110 m2 grossen Suite, sogar ein Cheminé hätte es. Die ganze Front vom Boden bis zur Decke ein einziges Fenster und draussen die Stadt mit ihrem Wahrzeichen, den beiden mit Scheinwerfern beleuchteten Türmen von Severikirche und Dom und davor das bunt leuchtende Riesenrad.
Das Schlafzimmer, wo nun wirklich drei Betten drin stehen, eins direkt vor dem Fenster mit der Aussicht die ganze Nacht lang über die ganze Stadt. Auf der Suche nach dem WC verläuft man sich in begehbaren Kästen und kommt in einen dritten Raum in welchem sich ein riesiger Whirlpool breit macht, ebenfalls mit Aussicht, aber auf die östliche Seite der Stadt.
Neben einer separaten Toilette hat es ein grosses Doppellavabo und in der einen Ecke eine Regendusche und dann last but not least eine Sauna, spielend für vier Personen, entsprechend auch der Grösse des Whirlpools.
Wir haben nun aber Hunger und zuerst machen wir uns auf den Weg Richtung Riesenrad. Soweit kommen wir aber doch nicht, wir finden vorher in einer Pizzeria, etwas, wo wir uns von unserem ersten Schreck erholen können. Dafür lassen wir es uns nachher nicht nehmen, diese riesige Badewanne volllaufen zu lassen und vom schäumenden warmen Wasser umsprudelt, können wir unsere gestressten Nerven völlig der Entspannung hingeben.
06.10.18
Nach dem herrlichen Sprudelbad gestern haben wir zwar alle gut geschlafen aber ich kann mich immer noch nicht erholen und das uns Zugefallene erscheint mir wie ein Traum. Die Aussicht über die Stadt und all die vielen Dächer unter uns kann ich kaum genug auskosten. Etwas, das ich bestimmt nie wieder vergessen kann. Ich mache wieder tausend Fotos, dass es sicher auch einmal mit Alzheimer noch funktionieren muss.
Auch beim Frühstück lassen wir uns nochmals verwöhnen, bevor wir uns Richtung Riesenrad in die Altstadt aufmachen. Von dort am Wenigemarkt, bis wohin wir gestern Abend gekommen sind, führt ein Tor unter einer Kirche hindurch in einer engen Lädeli-Gasse an schönen Fachwerkhäusern zum Teil mit noch runden Butzenscheiben vorbei wieder hinunter zum Benediktsplatz.
Erst jetzt beim Schreiben, wenn ich jeweils in Google Maps nach Namen von Örtlichkeiten suche, realisiere ich, dass diese Lädeligasse eigentlich eine Brücke über zwei Nebenarme der Gera ist, welche die Altstadt durchfliessen. Da schlendert man durch die „Berühmte historische Straße auf einer Brücke, die mit Wohnungen, Restaurants und Geschäften bebaut ist“, ohne es zu wissen, oder gebührend zu würdigen.
Auch der Benediktsplatz ist sehr originell. Mir gefällt dieses Zusammenspiel einer hypermodernen Glasfassade, in welcher sich die daneben stehenden, wunderschönen und bestimmt jahrhundertealten Fachwerkhäuser spiegeln.
Bis zum Rathaus geht es noch weiter mit solch liebevoll gepflegten Fassaden mit all dem Schnickschnack und den Hausdächern mit ihren Lukarnen in den fantasievollsten Ausführungen. Dann ist aber Schluss, denn auf der Strasse bis zum Riesenrad verkehren Bagger und Teermaschinen und man muss auf dem engen Trottoir durchzirkeln und kommt natürlich so noch näher an den vielen Auslagen aller Lädelis vorbei. Bei jenem Souvenirgeschäft, welches sich auf alte Schilder spezialisiert hat, kommt Marlis um zwölf Euro leichter und einer Tafel mit einem alles aussagenden Spruch wieder heraus: „99% aller Computer Probleme befinden sich zwischen Tastatur und Stuhl!“
Dann öffnet sich die schmale Marktgasse und wir stehen am grossen Domplatz wo die St. Severikirche und der Dom St. Marien, die beiden Kirchen mit ihren vielen spitzen Türmen, hinter dem Riesenrad direkt verschwinden. Erfurter Oktoberfest – der Grund, warum wir beinahe keine Unterkunft gefunden haben.
Es ist das gleiche Riesenrad mit dem grossen B in seiner Nabe, wie das an der Herbstmesse auf dem Münsterplatz in Basel, nur der Preis von drei Euro hier, ist ein bisschen bescheidener als jeweils bei uns.
Aber man hat von hier ebenfalls eine prächtige Aussicht auf die Stadt Erfurt und diesmal in der entgegengesetzten Richtung als heute Nacht.
Aus dieser Perspektive kann man an den grossen Fenstern drüben am Hochhaus des Radisson genau feststellen, dass die Präsidentensuite einen Viertel des Grundrisses der sechzehnten Etage ausmacht. Bevor die Parkzeit vor dem Radisson abgelaufen ist, reicht es uns auch noch für einen Blick in die beiden Kirchen und in einer Gelateria unten auf dem Domplatz für ein Bier und für René ein Riesencoupe mit Melonen-Ohren.
Dann geht’s weiter auf den Heimweg. Diesmal haben wir übers Internet nach einem Hotel unterwegs Ausschau gehalten. Wir wollen bis Heidelberg kommen,
aber es scheint, dass hier die Situation auch nicht besser ist als gestern und damit man die Möglichkeit hat, auch noch etwas von der Stadt zu sehen, blieb das Marriott das einzige in erreichbarer Stadtnähe, in welchem wir noch zwei Zimmer bekommen haben. Der Preis nähert sich fast an denjenigen von der Präsidentensuite an.
Aber immerhin haben wir auch heute wunderbares Wetter und es macht die eher langweilige Fahrerei durch das ebene Land ein bisschen heiterer. Nur unser Auto scheint zu versuchen, diese Langeweile mit etwas Spannung zu durchsetzen. Bei Giessen beginnt irgendein Alarmlämpchen zu blinken und vermeldet eine Unregelmässigkeit beim Vorglühen.
Was immer das heissen will, solange der Motor noch läuft, fahren wir zu. Er läuft und läuft, schliesslich ist es ein VW, aber so mit hundertzehn ist es gut, mehr weigert er sich zu geben und wenn die Strasse, wie hier um Frankfurt, geradeaus immer wieder ein bisschen ansteigt, spürt man gut, dass er überhaupt keine Reserve bringt, um das Tempo zu halten und die Überholstrecke ist enorm. Nu nüüt amerke loh!, aber ich bin gottenfroh, dass Heidelberg immer näher kommt und wir im Marriott in der Tiefgarage einen Parkplatz haben. Ich merke, dass René einen ausgesucht hat, von welchem man noch von allen Seiten Zugang hätte und man auch nach vorne wieder wegfahren könnte.
Um in die Stadt zu kommen, reicht es uns gerade auf die letzte Neckarfähre, welche zwischen dem Marriott und der alten Brücke hin und her pendelt. Dies erspart uns sicher gut zwei Kilometer, welche Marlis nun nur einmal machen muss und wir haben eine Neckarfahrt und eine abendliche Stadtbesichtigung inklusive einem währschaften Nachtessen im Franziskaner an der belebten Hauptstrasse.
Im gleissenden Licht der untergehenden Sonne bringt mir der Kellner wieder mal eine echt bayrische Hoxn und Marlis überisst sich doch tatsächlich am letzten Abend noch mit Deutschen Weisswürstl und was der Würste sonst noch sind. Direkt gut, dass wir zum Verdauen noch einen guten Marsch dem Neckar entlang vor uns haben.
07.10.18
Unsere Hotelzimmer waren heute ja auch nicht schlecht. Wir haben direkt See- rsp. Neckarblick, aber alles liegt heute doch noch ziemlich im Schatten von unserem gestrigen Abenteuer.
Allerdings entdecke ich etwas, das ich auch noch nie gesehen habe. Im Park unten am Ufer des Flusses und vor unseren Fenstern tummeln sich viele grasgrüne Papageien. Eigentlich leben solche doch nicht frei in unseren Breitengraden. Auch erst wieder daheim, finden wir ihre Geschichte sowie auch die Namen dieser Exoten.
Es seien Halsbandsittiche, welche eigentlich in Afrika und Asien heimisch sind, aber vor bald fünfzig Jahren seien einige dieser Vögel aus der Gefangenschaft in die Freiheit entwichen und anscheinend können sie gut auf sich selber gestellt überleben. Inzwischen fühlen sich diese Tiere schon in über zwanzig Städten Deutschlands heimisch, aber man weiss noch nicht sicher, ob diese Neobiota (Begriff von Organismen, die in einem bestimmten Gebiet nicht einheimisch sind, sich aber in den natürlichen Ökosystemen etabliert haben) eine Gefahr für die heimische Tierwelt darstellen.
Gespannt sind wir auf die heutigen Launen des Autos.
Es lässt sich problemlos starten, glüht wohl vor, wie es sollte und zeigt keine Fehlermeldung. Wir geben ihm gerade über der Strasse zuallererst mal was gegen den Durst und dann scheint es zufrieden zu sein und tut seine Pflicht für die restliche Etappe unserer Ferienreise ohne Murren oder Glögglen oder Blinken.